
„Ich habe sie geschlagen und ich bin Gott dankbar, dass ich sie nicht getötet habe!“. Das kommentierte der Rapper und Youtuber Mois, bürgerlich Zelemkhan Arsanov, nachdem die Betroffene, seine Ex-Partnerin Anys, eine zehnteilige Videoserie auf TikTok geteilt hat, in der sie ausführlich über die Gewalt berichtet, die Mois ihr angetan hat. Darin beschreibt sie unter anderem körperliche Gewalt, Freiheitsberaubung, aber auch eine versuchte Tötung. Auch von sexualisierter Gewalt berichtet sie: „Die Wahrheit ist aber, wenn ich Nein gesagt habe, dann ist er auf mich losgegangen, hat Sachen kaputt geschlagen, hat Türen kaputt geschlagen“. Dass all dies auch psychische Folgen hat, ist offensichtlich. Anys berichtet von der Entwicklung einer Angststörung und Suizidgedanken.
Selbstverständlich ist dieser Fall ausdrücklich scharf zu verurteilen, aber besonders wichtig ist es, zu sehen, dass er kein Einzelfall und auch nicht aus dem Nichts entstanden ist.
In den letzten Wochen, seit der Fall in der Öffentlichkeit ist und Mois die körperliche Gewalt sogar zugegeben hat und rechtfertigt, verteidigt eine extrem große Fangemeinde ihn noch! Die Schlammschlacht, die medial zwischen Mois, Sun Diego und Anys stattfindet, soll an dieser Stelle nicht näher betrachtet werden. Vielmehr wollen wir auf diesen Fall blicken, um die Darstellung von Frauen in den Medien zu verstehen. Denn medial wird der Fall als Beziehungsdrama dargestellt, als Situation, in der das Opfer genauso Schuld trägt wie der Täter. So wird z.B. Anys vorgeworfen, Mois mit Sun Diego betrogen zu haben, und sie wird damit zu gleichen Teilen in die Verantwortung genommen – beides wird also einfach in eine Waagschale geworfen.
Doch nicht nur bei diesem extremen Beispiel stoßen wir auf ein immer rückschrittlicheres Frauenbild auf Sozialen Medien. Auf Instagram und TikTok sieht man überall Nara Smith, die zu Hause sogar Kaugummi für ihren Mann herstellt. In Deutschland gehören die Jindaouis zu den erfolgreichsten Influencern und plötzlich scheint es normal, dass Louisa einen Tag nach der Geburt ihres Kindes für ihren Mann kocht. “Gute” Frauen eben, die zu Hause sind und sich um ihre Männer und Kinder sorgen. Gleichzeitig sind wir mit einer extremen Sexualisierung von Frauen konfrontiert, sei es auf Instagram oder in der Werbung, im Deutschrap oder auf OnlyFans. Es gibt die “guten” Frauen und die billigen, “Schlampen” und “Hoes”. Aus diesem Bild heraus wundert es nicht, wenn Opfer von sexualisierter Gewalt als “Schlampen” dargestellt werden, die nichts Besseres verdient hätten.
Der Hass, der Frauen in solchen Fällen, wie man es auch nach der Trennung von Kasia Lenhardt (Influencerin) und Jérome Boateng (Fußballer) beobachten konnte, ist extrem.
Man könnte zumindest meinen, dass der Fall ernst genommen wird, wenn er auf extreme Art und Weise (durch direkte Berichterstattung über soziale Medien, von Opfer und Täter) an die Öffentlichkeit getragen wird. Aber das Beispiel von Mois und Anys zeigt wieder einmal, wer im Recht gesehen wird und wer nicht.
All das beeinflusst natürlich die Denkweise junger Menschen, vor allem Männern, die den Fall beobachten. Die Art und Weise, wie solche Fälle diskutiert werden, bestärkt in den Köpfen der jungen Männer, dass Gewalt an Frauen in Ordnung ist. Laut einer Studie von Plan International aus dem Jahr 2023 finden es 33% der 18- bis 35-jährigen Männer in Deutschland in Ordnung, bei der Partnerin körperliche Gewalt anzuwenden. Und auch junge Frauen werden es sich – vor allem bei den rechtlichen Hürden, die bereits existieren – noch einmal mehr überlegen, ob sie mit ihrer Betroffenheit von Gewalt in die Öffentlichkeit treten oder nicht. Die Unterdrückung von Frauen spiegelt sich in allen Bereichen unserer Gesellschaft wider, und so eben auch auf Social Media. Wenn aus Femiziden Beziehungsdramen gedichtet werden, wenn Frauen selber Schuld sind, wenn sie sexualisierte Gewalt erleben, weil sie es nicht anders verdienen würden. Durch diese Art der Berichterstattung und Darstellung wird das vorherrschende Frauenbild noch verstärkt. Genau das müssen wir herausstellen, wenn das nächste in der Freundesgruppe wieder über den vermeintlich “Beef zwischen Mois und Anys” gesprochen wird!